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Woher kommt der Begriff „Gradieren“?

Umgangssprachlich wird mit „Gradieren“ das Einatmen von Sole-angereicherter Luft im Gradierwerk beschrieben. Ursprünglich stammt die Bezeichnung aus der Zeit der Salzproduktion. Bis zu sechsprozentige Natursole wurde damals wiederholt über das Reisig der Gradierwände geleitet. Bei diesem Vorgang ließ die Witterung zunehmend Wasseranteile der Sole verdunsten. So erhöhte sich allmählich ihr Salzgehalt. Man sprach davon, den „Grad“ des Salzanteils zu erhöhen. Deshalb wurden diese Verdunstungsanlagen GRADierwerke genannt.

Auf Bad Salzungens hochprozentige Sole stieß man erst wesentlich später.

Statt des altertümlichen Ausdrucks „Grad“ würde man heute eine Prozent-Angabe verwenden.

Was ist ein Gradierwerk?

Um an das wertvolle Salz zu gelangen, nutzte man salzhaltige Quellen der Region. Deren niedrigprozentige Sole wurde aufwendig in großen Siedepfannen (Nappen) so lange erhitzt, bis sich das Salz auskristallisierte. Dieses Verfahren sorgte für rußgeschwärzte Häuser, ständige Brandgefahr und dicke Qualm-Wolken über der Stadt. Weil es energie- und zeitaufwendig war, wurden Unmengen von Holz verbraucht, weshalb die umliegenden Wälder schwanden.

Eine Innovation musste her und wurde bald gefunden: Verdunstungsanlagen, welche sich Sonne und Wind zu Nutze machten.

Um 1590 begann man in Bad Salzungen Gradierwerke (Kunsthäuser) zu bauen. Bei dieser neuartigen Form zur Salzgewinnung wurde Quell-Sole über Schwarzdorn-Reisigwände geleitet. Sonne und Wind entzogen ihr bei diesem Prozess Wasseranteile.

Riesige Holzwannen unterhalb der Reisigwände fingen die Sole auf, so dass sie dem Kreislauf zurückgeführt werden konnte. Jeder Durchlauf machte sie „hochgradiger“. Beim anschließenden Verkochen wurde in kürzerer Zeit aus der gleichen Menge Sole ein wesentlich höherer Salzertrag gewonnen, als bei älteren Verfahren.

Seit damals gab in der Werra-Aue 24 Gradierwerke. Einige davon waren 400 m lang und 8 m hoch.

Von dieser großen Zahl blieb nur die historische Ostwand übrig. Nach 1900 entstand die gegenüberliegende Westwand bereits zu Kurzwecken.

Beide Gradierwände wurden von Ende 2020 bis Mitte 2023 umfangreich saniert. Wände und Wannen wurden in dieser Bauphase komplett zurückgebaut und erneuert.

Wissens­wertes

Im Zeichen des Salzes

Seit über 2000 Jahren prägt die Sole das Schicksal der Region.

Aus Sole gewonnenes Salz war so wertvoll, dass es 58 n. Chr. zur „Salzschlacht“ um die Solequellen kam. So berichtete es einst der römische Geschichtsschreiber Tacitus in seinen Annalen.

Salz war nicht nur Würzmittel und Mineralstofflieferant, sondern zum Konservieren existentiell. Mancherorts war es gar Zahlungsmittel. Die Bezeichnung „weißes Gold“ unterstrich seine Bedeutung als kostbares Handelsgut.

Die „Villa Salsunga“ wurde erstmalig von Karl dem Großen 775 in einer Schenkungsurkunde erwähnt. Im frühen Mittelalter lag die Siedlung an den Salzquellen, wo ein- und sechsprozentige Solen artesisch aus der Erde traten. Zum Schutz vor salzbegierigen Eindringlingen wurde die Wehranlage „Schnepfenburg“ erbaut.

Im Laufe der Zeit wurden verschiedenste Salzgewinnungsverfahren entwickelt. Anfangs verkochte man Sole in großen Siedepfannen – sogenannten Nappen – auf Holzfeuer. Einhundert Liter Wasser mussten verdunsten, um weniger als 6 kg Salz zu gewinnen. Rauchige Luft schwärzte den Ort. Es bestand permanente Feuergefahr und das in Mengen benötigte Feuerholz wurde rar und teuer.

Neue Wege zur Salzherstellung wurden gesucht. Ende des 16. Jahrhunderts kam die ersehnte Innovation. Erste Gradierwerke wurden erbaut.

Diese natürlichen Verdunstungsanlagen ließen den Grad des Salzgehaltes in der Sole steigen. Sole rann in Zyklen über die Reisig-Wände. Sonne und Wind trugen bei jedem Durchlauf Wasseranteile davon. So stieg allmählich der Salzgehalt auf über 20 Prozent.

Beidseitig der Werra wurden mehr als 24 solcher Gradierwerke errichtet, die bis zu 400 Meter lang waren. In den Jahren 1796/97 entstand die Vorgängerwand der heutigen Ostwand.

Die Ostwand-Maße

Gesamthöhe: 13,20 m
Gesamtlänge: 82,00 m
Gesamtbreite: 16,30 m

Zur effektiveren Nutzung beherbergte sie ursprünglich zwei Reisig-Stapel mit einer Länge von je 71,5 m und einer Höhe von je 7 m.

Das 19. Jahrhundert brachte große Veränderungen. Salz wurde zunehmend industriell hergestellt. Zudem stieß man 1842 durch eine Bohrung auf hochprozentige Sole. Einhundert Liter dieser “gesättigten“ Sole enthielten 27 kg Salz. Nun verloren Gradierhäuser ihren Nutzen und wurden nach und nach abgerissen.

Ein neuer Trend rettete die damalige Ostwand vor dem Verschwinden. Erfreulicherweise wurde das Baden in Sole immer populärer. Ab 1801 nutzte der preußische General von Seebach aus Weimar die Salzunger Sole zum Baden und verkündete „besten Erfolg“.

Der Stadtphysikus Dr. Johann Caspar Bein empfahl Spaziergänge entlang der Gradierwände. Er publiziert die heilende Wirkung des Sole-Nebels für die Atemwege. Ab 1813 begann der stetige Kurbetrieb.

Nachdem weitere Kurerfolge immer mehr Badegäste lockten, entschloss sich die Salzunger Pfännerschaft, 1837 ein Badehaus zu errichten.

Die neue Werra-Eisenbahn erhöhte ab 1858 wiederum die Zahl der Kurgäste im Salzstädtchen.

Im Jahr 1901 errichtet die „Aktiengesellschaft Saline und Solbad Salzungen“ eine zweite Gradierwand. Durch einen Mittelbau im Hennebergischen Fachwerkstil wurde die neue Westwand mit der bereits vorhandenen Ostwand verbunden.

Die Westwand-Maße

Gesamthöhe: 10,70 m
Gesamtlänge: 87,00 m
Gesamtbreite: 16,30 m

Die Westwand war wiederum im Querschnitt über drei Meter „schlanker“ als ihre ältere „Schwester“. Sie diente bereits zu Kurzwecken und war nur für einen Reisig-Stapel mit 80,00 m Länge und 6,70 m Höhe ausgelegt.

Eine Trinkhalle für Trinkkuren und ein Musikpavillon rundeten das einmalige Gradierwerksensemble ab.

Seit 1923 durfte der Atemwegskurort den Titel „Bad“ im Namen tragen.

Unzählige Gäste kurten seither im Bad Salzunger Gradierwerksensemble. Doch der Zahn hatte – nicht zuletzt durch „Mithilfe“ der starken Sole – deutliche Spuren am Gebälk hinterlassen. Nun war es an der Zeit für eine Kur der Gradierwände.

Im Jahr 2015 begannen die Voruntersuchungen zur umfassenden Sanierung des Gradierwerksensembles. Mittels 3D-Laserscan-Technik wurde eine Bestandsaufnahme jedes einzelnen Balkens gemacht und in einer Schadkartierung erfasst. Durch langjährigen Salzeintrag waren Holzschäden entstanden. Die statische Sicherheit der Holzkonstruktion war in Teilen nicht mehr gewährleistet.

Auch die technischen Anlagen der Gradierwände, der Brunnenhäuser sowie des Mittelbaus entsprachen nicht mehr den Anforderungen an den heutigen Kur- und Bäderbetrieb.

Weiterführende Untersuchungen und Planungen folgten.

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Bad Salzunger Natursole kommt aus den Tiefen der Erde und ist reich an Mineralien. Mit bis zu 27 prozentigem Salzgehalt ist sie eine der stärksten Solen überhaupt.

 

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